Seán McCormack ist eigentlich der Typ Mann, der am liebsten mit einem kühlen Bier auf der Veranda sitzt. Niemals hätte der Ire, der in Taiwan lebt, gedacht, dass er einmal einen 12-stündigen Tagesmarsch durch unwegsames Berggelände absolvieren würde. Doch genau das hat der Familienvater getan. Mit einer ganz besonderen Mission und Motivation: einem Vierbeiner in Not zu helfen.
Seán engagiert sich ehrenamtlich als Hunderetter und betreibt eine Rettungsstation, wo er verletzte Vierbeiner wieder aufpäppelt. Viele seiner Schützlinge sind Opfer von Tierfallen geworden, die in Taiwan in großem Stil aufgestellt werden.
So wendet sich eine Frau über Facebook an Seán: Während einer Wanderung im weitläufigen Taroka-Nationalpark ist sie bei einem abgelegenen Gästehaus auf ein kleines Häufchen Elend gestoßen: einen Welpen, der durch eine Falle seine rechte Vorderpfote verloren und seine linke schwer verletzt hat.
Um dorthin zu gelangen, muss man sechs Stunden lang einen steilen, rutschigen Pfad durch das Dickicht hinaufkraxeln – eine brutale Wanderung und eigentlich nicht für Anfänger wie den Iren geeignet, der so etwas noch nie gemacht hat. Seán weiß noch nicht, wie er das schaffen soll. Er weiß nur, dass er den schwerverletzten Hund nicht seinem Schicksal überlassen kann. Zusammen mit seinem Freund Ross, der als erfahrener Wanderer im Land Trekkingtouren organisiert, macht er sich an den beschwerlichen Aufstieg.
Doch die Männer haben den Weg unterschätzt; mehr als einmal denken sie ans Aufgeben und Umkehren. Aber der Gedanke an den hilflosen Welpen lässt sie die Zähne zusammenbeißen. Als sie endlich an dem verlassenen Gästehaus angelangt sind, stehen sie jedoch vor dem nächsten Problem: Es gibt keine Spur von dem Hund.
„Wir durchsuchten den Bereich der Außenküche, doch dort war der Hund nicht. Wir sagten nichts zueinander, aber dachten uns beide: ‚O Mist'“, erinnert sich Seán. Aber dann bemerken sie eine Bewegung unter ein paar übereinandergestapelten Stühlen: „Da stand der kleine Hund und wedelte mit dem Schwanz. Sobald ich ihn sah, war ich plötzlich wieder voller Energie. Er kam und legte seinen Kopf in meinen Schoß.“
Das Tier befindet sich in einem sehr kritischen Zustand: Das rechte Vorderbein mit der abgetrennten Pfote ist schon fast verheilt, doch aus seiner linken Beinwunde ragt noch der Knochen hervor „Er war sehr glücklich, uns zu sehen, aber hatte offensichtlich Schmerzen“, erzählt Seán. „Als wir ihm die Pfote verbanden, machte er keinen Mucks, kein Bellen, kein Winseln.“ Weil die Infektion schon so weit fortgeschritten ist, wissen die Männer, dass sie keine Zeit verlieren dürfen: Sie packen den kleinen Rüden, den sie Sandy getauft haben, in einen Rucksack und machen sich umgehend auf den erneut 6-stündigen Rückweg.
Am Fuße des Berges angelangt, kommt Sandy sofort zum Tierarzt. Um ihn zu retten, muss man ihm Teile beider Beine amputieren. Sobald alles gut verheilt ist, bekommt der Hund Prothesen, mit denen er wieder ungehemmt durch die Gegend flitzen kann. Ein neues Zuhause hat sich auch schon gefunden: Ein Restaurantbesitzer aus der Hauptstadt Taipeh hat über Facebook von dem tapferen Vierbeiner erfahren und möchte ihn nun liebend gerne adoptieren.
Bis er sich von der OP erholt hat, bleibt Sandy erst einmal bei Seán und den anderen geretteten Hunden. „Er macht sich sehr gut“, freut sich sein Retter. „Er ist so glücklich und hat sofort mit den anderen Hunden hier gespielt. Er ist ein sehr süßer und liebenswerter Hund. Ross und ich sind beide stolz darauf, dass wir diese Anstrengung auf uns genommen haben. Wenn man das Leben eines Tieres verändert, insbesondere das eines Tieres, dem sonst niemand geholfen hätte, dann ist das sehr erfüllend.“
Ohne den Einsatz der beiden Freunde hätte Sandy niemals überlebt. Ihn nun so gesund, glücklich und voller Lebensfreude zu sehen, war jedoch jede Sekunde und jeden Schweißtropfen der Strapazen wert!