Rosemary Kennedys Schicksal ist kein Einzelfall
Was da mit Rosemary gemacht wurde, kommt uns heute wie eine Szene aus einem Gruselfilm vor, aber die Lobotomie war auch in Deutschland bis in die 70er Jahre eine oft angewandte Methode, um Menschen von starken Gefühlen, Depressionen, Schizophrenie, Psychosen und auch Alkoholismus zu „heilen“. Es gibt jedoch kaum empirische Belege für eine Wirksamkeit des Eingriffs.
Für gewöhnlich wurde den Patienten eine lange Nadel mit scharfer Spitze am Augapfel vorbei durch die dünne Knochenwand der Augenhöhle ins Gehirn geschoben. Dort bewegte man dann die Nadel herum und zerschnitt die Nervenstränge in der Region des Stirnlappens.
Die meisten der so Behandelten verfielen in eine permanente Apathie. Sie waren für immer ihrer Emotionen und Persönlichkeit beraubt und verbrachten den Rest ihres Lebens in einem fügsamen Dämmerzustand.
Bei Rosemary verlegte sich der Neurologe Walter Freeman auf eine andere Variante. Er bohrte ihr an beiden Schläfen je ein etwa zweieinhalb Zentimeter großes Loch in den Schädel. Dann führte man ihr durch die Löcher einen scharfen Metallspatel in den Schädel ein. Rosemary war bei vollem Bewusstsein.
Freeman forderte sie auf, die ganze Zeit über zu sprechen, zu singen, Gedichte aufzusagen und zu zählen. Während der Spatel erst von der einen, dann von der anderen Seite die Verbindung zwischen Rosemarys Frontallappen und ihrem Zwischenhirn durchtrennte, wurden ihre Worte immer unzusammenhängender, bis sie schließlich ganz verstummte.
Ihre Geschichte soll nicht in Vergessenheit geraten
Sie sollte sich nie mehr erholen. In einer psychiatrischen Klinik musste sie mühsam wieder laufen, essen und sprechen lernen. Ihre Mutter erfuhr erst im Nachhinein, was mit ihrem Kind geschehen war. Sie hat ihrem Mann niemals verziehen. Als klar wurde, dass Rosemary Kennedy nie mehr über den Entwicklungsstand eines Kleinkindes hinauskommen würde, ließ ihr Vater sie 1948 in ein von Franziskanernonnen betriebenes Heim in Wisconsin bringen – weit weg von der vielversprechenden politischen Laufbahn ihres Bruders John F. Kennedy. Aus den Augen, aus dem Sinn.
Ihren Geschwistern erzählte man, Rosemary sei in den Mittleren Westen der USA gezogen, um dort Lehrerin zu sein. Erst als Joseph Kennedy im Jahr 1961 einen Schlaganfall erlitt, der ihn schwerbehindert und pflegebedürftig zurückließ, erfuhren Rosemarys Brüder und Schwestern, was aus Rosemary geworden war. Erst dann, 20 Jahre nach der fatalen Operation, fing Rose Kennedy an, ihre Tochter im Heim zu besuchen.
Rosemary Kennedy starb am 7. Januar 2005 in dem Heim, das sie seit 1948 bewohnte. Ihre noch lebenden Geschwister Eunice, Jean, Patricia und Edward waren bei ihr. Ihr Vater Joseph hatte sie nie besucht.
Quelle: people
Vorschaubild: ©Facebook/Museum THE KENNEDYS