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Als die junge Studentin Resham Khan, die neben der Uni erfolgreich als Model jobbt, im Juni 2017 von ihrem Auslandssemester auf Zypern nach London zurückkehrte, fieberte sie ihrem 21. Geburtstag entgegen, denn diesen würde sie mit ihrem liebsten Cousin Jameel Muhktar verbringen, den sie seit neun Monaten nicht mehr gesehen hatte.
An ihrem Ehrentag fuhren die beiden durch den Londoner Stadtteil Beckton und hörten dabei entspannt Musik. Als sie schließlich an einer roten Ampel anhielten, geschah das Unvorstellbare: Völlig überraschend kippte ein fremder Mann eine ätzende Flüssigkeit durch das geöffnete Fenster – direkt auf Resham und Jameel.
Augenblicklich litten die beiden unvorstellbare Qualen, die sie beinahe in die Besinnungslosigkeit trieben, ihr Überlebensinstinkt jedoch zwang sie, zu handeln: „Der Schmerz war unerträglich, ich versuchte, das Fenster zu schließen, und mein Cousin versuchte, uns in Sicherheit zu bringen. Ich sah, wie meine Kleidung vor meinen Augen verbrannte.“
Zwar schaffte Jameel es, den Wagen – und damit sie beide – aus der Gefahrenzone zu bringen, doch die Säure hatte sich bereits durch seine Kleidung gefressen, sodass die höllischen Schmerzen seinen Blick vernebelten – nur wenige Augenblicke später brach der Wagen aus und kam von der Straße ab.
Sofort sprangen Resham und Jameel aus dem Auto und rissen sich die ätzenden, brennenden Klamotten von den Leibern und begannen, von Schmerzen gequält, verzweifelt um Hilfe zu rufen: „Wir rannten mitten auf die Straße, schrien, so laut wir konnten, und bettelten um Wasser – 45 Minuten lang.“
Erst nach der längsten Dreiviertelstunde ihres Lebens hielt ein Auto an; der Fahrer brachte sie umgehend ins Krankenhaus, in welches sie hineinstürmten, um endlich die herbeigesehnte und dringend benötigte Hilfe zu bekommen.
Resham erlitt schwerste chemische Verbrennungen, die sich vom Gesicht über die Schultern, den Rücken und die Hüfte bis hin zum Oberschenkel und dem Knie erstreckten.
Jameel erlitt sogar noch weitaus schlimmere Verletzungen: Sowohl seine rechte Gesichtshälfte als auch seine Gliedmaßen wurden von der Säure so schwer verbrannt, dass die Ärzte den 37-Jährigen übergangsweise in ein künstliches Koma legen mussten.
Resham und Jameel erhielten mehrere Hauttransplantationen. Körperlich erholten sich die beiden überraschend schnell, seelisch jedoch blieben Verletzungen zurück, die sich nicht so leicht durch eine OP heilen ließen.
Die Polizei konnte kurz nach dem Säureangriff den 25-jährigen John Tomlin als Attentäter verhaften. Nach seiner Vernehmung wurde die Tat als Hassverbrechen gegen die beiden Muslime eingestuft. Jameel hat schnellstmöglich Anklage erhoben und hofft nun, John Tomlin für eine sehr lange Zeit hinter Gitter bringen zu können.
Trotz der Festnahme und des anstehenden Prozesses hatte vor allem Resham mit ihren inneren Qualen zu kämpfen. Immerhin ist als Model ihr Aussehen ihr Kapital; daher bangte die junge Frau um ihre Karriere. Doch nicht nur beruflich fraßen die Ängste sie förmlich auf. Resham fürchtete sich sogar vor dem gewöhnlichen Alltag: Gedanken an normale Dinge, wie den Einkauf erledigen oder eine Vorlesung besuchen, verursachten Panikattacken, weil sie sich so sehr vor den Blicken ihrer Mitmenschen fürchtete.
Zwei Monate nach der Säureattacke nahm die junge Frau schließlich allen Mut zusammen und schminkte und frisierte sich so, wie sie es früher regelmäßig getan hatte. Im Anschluss daran fotografierte sie sich selbst im Spiegel, die verbrannte, rechte Gesichtshälfte hielt sie dabei vom Betrachter abgewandt: „Ich habe die Fotos hochgeladen, nachdem ich das erste Mal wieder Make-up trug. Es war etwa zwei Uhr morgens und ich sah, wie ich aussehen könnte, doch dann überkamen mich sämtliche Gefühle, denn plötzlich erkannte ich das erste Mal nach langer Zeit mein altes Ich wieder.“
Resham erkannte endlich, dass die Ärzte ein wahres Wunder vollbracht hatten und sie tatsächlich eine Chance haben wird, wieder ein annähernd normales Leben zu führen. Der komplette Heilungsprozess wird jedoch noch etwa zwei Jahre in Anspruch nehmen.
Bis dahin gewinnt Resham von Tag zu Tag ihr altes Selbstbewusstsein zurück. Auf einem Blog verarbeitet sie das Geschehene. Zudem arbeitet sie fleißig an ihrer Karriere, um nach dem Studium im Berufsleben schnell Fuß fassen zu können.
Obwohl die zweijährige Genesungsfrist noch nicht abgeschlossen ist, hält die junge Frau ihr Gesicht bereits heute wieder selbstbewusst in die Kamera – und ist dabei so schön wie nie zuvor.