Skurrile Gesetze und Vorschriften gibt es überall auf der Welt. Beispielsweise ist es in Großbritannien illegal, sich betrunken in einer Kneipe aufzuhalten, und im US-amerikanischen Bundesstaat Maryland dürfen sich verliebte Paare nicht länger als eine Sekunde in der Öffentlichkeit küssen.
Viele dieser Verordnungen haben sich überlebt und werden natürlich nicht mehr durchgesetzt, auch wenn sie formal noch gültig sind. Jedoch steckte hinter vielen von ihnen eine vernünftige Absicht, die vielen Menschen heute jedoch nicht auf Anhieb ersichtlich ist. Ein Beispiel für ein solches Gesetz findet sich in der norwegischen Stadt Longyearbyen auf der Inselgruppe Spitzbergen. Dort ist es nämlich illegal, zu sterben – aus gutem Grund.
Die mittlerweile über 2.000 Seelen zählende Kleinstadt wurde im Jahr 1906 von John Munroe Longyear gegründet. Der US-amerikanische Unternehmer und Namensgeber des Ortes wollte die dortigen Kohlevorkommen ausbeuten und ließ zunächst ein Lager in der Nähe der Abbaustätte errichten, das im Laufe der folgenden Jahrzehnte zu einer kleinen Bergarbeiterstadt heranwuchs.
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Im Jahre 1950 wurde dann ein Gesetz erlassen, das es den Einwohnern Longyearbyens verbot, in ihrer Kleinstadt zu sterben. Todkranke Menschen mussten die Insel verlassen. Starb jemand unerwartet, musste dessen Leiche sofort zum norwegischen Festland gebracht werden. Die Erklärung für diese merkwürdig scheinende Vorschrift hat mit dem Klima des Städtchens zu tun.
Wikipedia/Longyearbyen panorama july2011.jpg/HylgeriaK/CC BY-SA 3.0
Die geografische Lage von Longyearbyen im arktischen Eismeer bringt es mit sich, dass die Bewohner des Orts fast das ganze Jahr über Permafrost ausgesetzt sind. Das hat auch zur Folge, dass die Körper von Verstorbenen nur sehr langsam verwesen. Der Prozess erstreckt sich über rund hundert Jahre. Das hat arge Konsequenzen für die Gesundheit der Bewohner, weil auch viele Erreger in den Körpern von Verstorbenen konserviert bleiben.
Wikipedia/Longyearbyen-Adventsfjorden-And-Valley.jpg/Bjørn Christian Tørrissen/CC BY-SA 3.0
Wie gefährlich dieser Umstand nicht nur für die Bewohner Longyearbyens, sondern auch für den Rest der Welt sein kann, belegen mehrere Leichen, die 1918 bestattet wurden und sich bis heute in der Kleinstadt befinden. Vor einhundert Jahren brach kurz vor dem Ende des Ersten Weltkriegs eine der katastrophalsten Epidemien der Weltgeschichte aus: die Spanische Grippe. Mehrere Millionen Menschen erlagen weltweit diesem tödlichen Virus. Erreger der schrecklichen Pandemie konnten noch in den auf Longyearbyen gefundenen Leichen nachgewiesen werden.
Auch wenn heute viele Gesetze überflüssig oder skurril erscheinen, gab es doch in aller Regel einen guten Grund für ihre Entstehung. Der Hintergrund erschließt sich freilich oft erst im historischen Kontext.