Wir alle erwarten in einem Restaurant, dass uns die Speisen serviert werden, die wir bestellt haben – nicht wahr? In Japan befindet sich jedoch das „Restaurant der falschen Bestellungen“.
Dieses einzigartige Speiselokal öffnete im Juni 2017 für zwei Tage. Die Idee dahinter: Die Menschen sollen erfahren, dass es keine Schande ist, Fehler zu machen. „Jeder Mitarbeiter, der Bestellungen aufnimmt, hat Demenz“, sagt Shiro Oguni, einer der Organisatoren.
Alles begann mit der Frage, die sich Shiro stellte: „Warum streben wir immer Perfektion an? Würden wir akzeptieren, dass jeder Fehler macht, könnte die Gesellschaft toleranter werden. Ganz gleich, ob beispielsweise jemand Demenz hat oder nicht.“
Shiro sammelte eine Gruppe von freiwilligen Heimbewohner und suchte bereitwillige Berufsköche. Selbstverständlich war Hygiene wichtig und alle Kellner bekamen frisch gebügelte Schürzen.
Laut Shiro war der Service jedoch nicht vergleichbar mit normalen Restaurants: „[Es war] offen gesagt eine Katastrophe. Sie hatten vergessen, was sie an den Tischen tun sollen, brachten doppelt so viele Wassergläser, servierten heißen Kaffee mit Strohhalm … und nun, genau darum geht es im Restaurant der falschen Bestellungen.“ Anstatt sich ständig zu beschweren, versicherten die Kunden den nervösen Kellnern, dass alles in Ordnung sei.
Yasoku Mikawa, eine der Kellnernden, war Klavierlehrerin, bevor sie vor ungefähr vier Jahren Demenz entwickelt hatte. Als sie mit den Bestellungen fertig war, spielte sie Ave-Maria auf einem Instrument, das sich im Restaurant befand. Ihr Ehemann Kazuo begleitete sie auf dem Cello und half ihr dabei, neu anzufangen, wenn sie einen Fehler machte oder stoppte.
Yasuko sagt, dass sie es trotz ihrer Krankheit liebt, auf dem Klavier zu spielen, und damit nicht aufhören möchte. Es war ein wundervoller Moment, der zeigte, wie schmerzhaft es für Demenzpatienten sein muss, wenn sie ihren Lieblingsbeschäftigungen gar nicht oder nur mit größter Mühe nachgehen können.
Am Ende des Experiments kam heraus, dass zwar 60 % der Bestellungen falsch waren, jedoch 90 % der Kunden wiederkommen würden. In den sozialen Netzwerken wurden Neuigkeiten über dieses Restaurant verbreitet und die Organisatoren erhielten eine überwältigende Anzahl von Nachfragen von lokalen Beamten und anderen Personen, die gerne etwas Ähnliches versuchen würden.
Das folgende Video (auf Japanisch) zeigt, was während der zweitägigen Öffnungszeit geschah:
Allein in den USA leiden mehr als fünf Millionen Menschen an Demenz; in Japan ist die Situation ähnlich: Einer von fünfzehn Japanern muss mit einer mentalen oder kognitiven Behinderung leben. Die Anzahl der Demenzpatienten wird bereits auf über 4 Millionen gerechnet. Auf diese steigenden Tendenz sollten sich die Menschen in den Industrieländer vorbereiten und Toleranz üben.
Dieses gesellschaftliche Experiment wurde in einem Land mit dem höchsten Durchschnittsalter durchgeführt und vermittelt die Botschaft, dass jeder Mensch es verdient, in Würde zu leben. Das kann jedoch nur erreicht werden, wenn die Welt für alle toleranter wird.