Mit Anfang zwanzig wissen die meisten Menschen schon sehr gut, was ihnen schmeckt und was nicht. Darryl Wallis hingegen hatte davon keine Ahnung, denn erst als 22-Jähriger genoss er seine erste Mahlzeit.
Eine erschütternde Diagnose
Der Kanadier musste schon als Baby mithilfe einer Infusionslösung intravenös ernährt werden. Wenige Monate nach seiner Geburt hatte nämlich eine erschütternde Diagnose den Verlauf seines noch sehr jungen Lebens verändert:
„Ich wurde mit einer seltenen Krankheit geboren, der hohlen viszeralen Myopathie (HVM). Diese verhindert, dass meine Verdauung richtig funktioniert. Mein Magen konnte die Nährstoffe nicht aufnehmen und die Nahrung gelangte nicht so in meinen Darm, wie sie sollte.“
Deshalb bekam Darryl einen dauerhaften intravenösen Zugang. Jeden Abend wurde aufs Neue eine Infusionslösung angeschlossen, die ihn über Nacht – von 18:00 Uhr bis 08:00 Uhr – mit allem versorgte, was sein Körper brauchte.
Eine normale Kindheit
Das ermöglichte ihm eine einigermaßen normale Kindheit. Darryl konnte – wie ein gesundes Kind – fast alles tun. Er ging zur Schule und trieb Sport. Sogar Familienausflüge waren mit der entsprechenden Vorbereitung möglich. Trotzdem bedrückte ihn seine einseitige Ernährung sehr.
„Es war nicht leicht, mitansehen zu müssen, wie alle um mich herum normales Essen genossen. Als Kind habe ich unentwegt Kochbücher gelesen; mir ausgemalt, wie die verschiedenen Geschmackssorten sich wohl auf der Zunge anfühlen würden. Ich tat außerdem so, als würde ich Essen in den Händen halten und hineinbeißen.“
Mit zunehmendem Alter verschlechterte sich Darryls Zustand kontinuierlich. Die intravenöse Versorgung seines Körpers mit Nährstoffen setzte ihm langsam zu – auch deshalb, weil viele Risiken dieser Ernährung mit Medikamenten ausgeglichen werden mussten.
Blutlache im Kinderzimmer
„Im Laufe der Jahre zog ich mir zahlreiche Infektionen zu, weil Bakterien oder Viren durch die Infusion in meinen Blutkreislauf gelangten. Manchmal brach eine Leitung, sodass Blut austreten konnte. Das passierte ein paar Mal, während ich schlief. Beim ersten Mal kamen meine Eltern morgens in mein Zimmer und waren entsetzt, als sie um mich herum eine Blutlache fanden.“
Als junger Erwachsener Anfang zwanzig geriet er in große Gefahr. Während seines Studiums versagte seine Leber und er musste operiert werden. Das war der Zeitpunkt, an dem Darryl sich für eine Organtransplantation entschloss. Diese stellte ein hohes Risiko dar, weil man ihm die Leber, den Dünn- und Dickdarm, den Magen und die Bauchspeicheldrüse ersetzen musste. An ein weiteres Aufschieben war aber nicht zu denken, denn der Tod lauerte beunruhigend nahe.
Schließlich wurde ein unbekannter Organspender gefunden. Darryl überstand die anschließende Operation. Nach einer längeren Genesungsphase kam endlich der Tag seiner ersten echten Mahlzeit.
Die erste Mahlzeit
„Ich konnte zum ersten Mal in meinem Leben alles essen, was ich wollte, wann immer ich wollte. Ich weiß nicht mehr genau, was ich zuerst aß, aber ich begann mit einfachen, leicht verdaulichen Lebensmitteln wie Reis und Toast. Es war aufregend, aber auch nervenaufreibend.“
Ein gesundes Kind?
Darryl konnte nun ein weitestgehend normales Leben führen, beendete sein Studium und arbeitete als Apotheker. Er lernte später Jamie kennen, die er im Jahr 2014 heiratete. Die beiden wollten ein gemeinsames Kind. Alle Tests schienen darauf hinzudeuten, dass er seine Krankheit nicht vererben würde.
Schließlich bekamen Darryl und Jamie 2016 ihren gemeinsamen Sohn Owen. Die Familie konnte glücklicher nicht sein. Leider schlug das Schicksal unerwartet zu. Es stellte sich nämlich heraus, dass auch ein bisher unbekanntes Gen Darryls Krankheit auslösen konnte – Vater und Sohn hatten es.
Bei Owen wurde ebenfalls eine viszerale Myopathie diagnostiziert. Der Zustand des Jungen verschlechterte sich jedoch schnell, sodass er schon viel früher dieselbe Organtransplantation wie Darryl nötig hatte. Im Jahr 2022 war es für den inzwischen 5-Jährigen so weit: Er wurde operiert. Alles glückte und Darryl fiel ein Stein vom Herzen. Wieder hatte ein unbekannter Spender ein Leben gerettet. Dieses Mal das seines Sohnes.
Spenden retten Leben
„Jeder Spender kann einen großen Einfluss auf das Leben eines anderen Menschen haben. Und obwohl ich weiß, dass die Entscheidung eine persönliche ist, kann ich aus Erfahrung sagen, dass das Geschenk des Lebens unglaublich mächtig ist. Ich verdanke mein Leben und das meines Sohnes zwei völlig fremden Menschen. Ich bin ewig dankbar.“
Wie schön, dass Vater und Sohn eine Chance aufs Leben gegeben wurde und ihnen noch viele glückliche gemeinsame Jahre bevorstehen. Alles dank lebensrettender Organspenden.
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Quelle: torontolife
Vorschaubild: ©Facebook/RonaldMcDonaldHouseCharitiesToronto