Vom Vater verlassen zu werden, ist wohl eines der schlimmsten Dinge, die einem Kind und einer Familie passieren können. Es hinterlässt tiefe Spuren im Leben, und es ist schwer, mit diesem Gefühl des Verlustes umzugehen. Aber was würdest du für einen Vater empfinden, der eines Tages beschlossen hat, einen anderen Weg zu gehen, ohne an die Menschen zu denken, die er zurückgelassen hat? Im Zimmer einer jungen Frau findet ihre Mutter einen Brief, in dem ihre Tochter ihren Vater mit ihren Gefühlen konfrontiert – den Mann, der sie gezeugt und dann verlassen hat. Es ist schwer, sich in ihre Haut hineinzuversetzen:
„Lieber Vater, den ich nie kennengelernt habe, ich kenne deinen Namen nicht, und ich will ihn auch nicht kennen, weil es mir nichts bringt. Wenn du das liest, denkst du wahrscheinlich, dass ich dir sagen will, was für ein schrecklicher Vater du warst und dass du dich schämen solltest, weil du mich verlassen hast. Das ist nicht der Fall. Was ich dir sagen will: Ich vergebe dir. Ich vergebe dir, dass du nicht für mich da warst, weil es mich stärker gemacht hat. Als ich jünger war und wir eine Vatertagsfeier in der Schule hatten, ging ich mit meinem Großvater hin. Wenn ich gefragt wurde: ‚Wo ist dein Vater?‘, sagte ich ihnen, dass ich keinen habe, aber ich habe etwas, was besser ist. Er war schon mal Vater, also wusste er, was ich brauchte. Er brachte mir bei, dass man niemals auf etwas oder jemanden hinabsieht. Er zeigte mir, dass ich mich von niemandem als etwas Niedrigeres als ein menschliches Wesen behandeln lassen darf.
Ich vergebe dir, dass du mich verstoßen hast, denn es hat mich gelehrt, anderen Menschen nahezukommen. Meine Großmutter hat mir beigebracht, respektvoll und vertrauenswürdig zu sein. Sie hat mir beigebracht, immer ehrlich zu allen zu sein, mit denen ich in Kontakt getreten bin, denn Lügen sei schlimmer als alle Worte, die du ihnen sagen kannst. Sie hätte mir nicht erlaubt, anderen gegenüber respektlos zu sein, und sie brachte mir bei, dass das eine echte Strafe sein kann. Und ich sage dir, sie hatte keine Angst davor, diese Strafe einzusetzen.
Ich vergebe dir, dass du kein Elternteil bist, weil Mama deinen Platz eingenommen hat. Sie hat die gleiche Arbeitsstelle, seitdem ich geboren wurde. Sie hat zwei Kinder aufgezogen, hatte einen 40-Stunden-Job und war trotzdem in der Lage, sich um uns zu kümmern. Manchmal konnte sie uns vielleicht nicht so viel geben wie sie wollte, aber wir sind unglaublich dankbar für alles, was sie jemals für uns getan hat. Wir sind in den Urlaub gefahren, sie hat sich den Rücken für uns krummgearbeitet, um uns hierhin und dorthin und wieder zurück zu bekommen, um sicherzugehen, dass wir die schönste Zeit hatten. Sie war immer für uns da und war stolz auf mich und jede Erinnerung, die ich ihr beschert habe.
Ich vergebe dir all diese Dinge, denn ich weiß, dass es mich zu einem besseren Menschen gemacht hat. Ich bin zu meinem ersten Schultag ohne dich gegangen, ich habe meinen Schulabschluss ohne dich geschafft und mein Studium angefangen und zur Hälfte geschafft, ohne dass du dabei warst. Ich bin mir bewusst darüber, wer ich bin und wer ich sein will. Ich weiß, was für eine Mutter ich sein will, wenn ich mal Kinder habe. Dich nicht an meiner Seite zu haben, hat mir zwar nicht zum Erfolg verholfen, aber es hat mich angetrieben und motiviert. Nicht, weil ich es dir beweisen wollte, sondern, um es mir selbst zu beweisen. Wenn ich mich umsehe, ist meine Familie über Jahre gewachsen, und die Menschen, die hinzukamen, haben deinen Platz eingenommen.
Also sei dir bewusst: Du hast mir nicht das Leben versaut, als du Mama verlassen hast und vor deinen Problemen weggerannt bist. Meine Welt hat sich ohne dich weitergedreht. Ich hoffe wirklich, dass du dein Glück gefunden hast, und ich vergebe dir, dass du der Mann bist, der mich geschaffen, aber nicht gewollt hat.
Aufrichtig,
das Mädchen, dem du das Leben geschenkt hast und das du nicht wolltest.“
Wenn jemand uns verlässt, müssen wir ihn gehen lassen. Alles geschieht aus einem bestimmten Grund, und wenn diese Person nicht dazu bestimmt ist, an unserer Seite zu sein, muss es dafür eine Erklärung geben. Das Leben ist schön, und diese junge Frau weiß, wie sie das Beste aus der Abwesenheit ihres Erzeugers macht. Ein wunderschöner Brief einer Frau, die etwas vergibt, was viele von uns nicht könnten.