Die Olympischen Spiele sind der Traum jedes Sportlers. An der jahrtausendealten Tradition des internationalen Wettkampfes teilnehmen zu dürfen, heißt, dass man in seiner Sportart tatsächlich zu den Besten der ganzen Welt gehört.
Um so gut zu werden, dass eine Qualifikation für Olympia überhaupt möglich ist, müssen Athleten ihr Leben bereits von Kindheitstagen an ganz dem Training widmen. Das Talent muss früh entdeckt und gefördert werden. Schule, Freunde, Ausbildung und Beruf müssen immer wieder in den Hintergrund treten, um dem Training völlige Priorität einzuräumen. Das ist ein Leben, das nicht viele Menschen führen wollen oder können.
Denn schließlich ist es auch eine Frage des Geldes, ob ein so intensives Training überhaupt machbar ist. Die besten Trainer und die beste Ausrüstung sind nicht billig, weshalb die Förderung begabter Athleten meist von staatlicher Seite finanziert wird.
Für Bethany Shriever aus Großbritannien schien sich ihr lebenslanger Traum zu erfüllen. Die 22-Jährige begann im Alter von 9 Jahren mit dem BMX-Rennsport und wurde bereits 2016 mit einer Silbermedaille in den BMX-Weltmeisterschaften ausgezeichnet.
2017 übertraf sie ihren Erfolg sogar noch und wurde Weltmeisterin der Junioren im BMX-Rennen. Bethany ist erwiesenermaßen eine der besten BMX-Fahrer, die es auf der Welt gibt. Als sie eingeladen wurde, dem olympischen BMX-Radrenn-Team beizutreten, war sie überglücklich.
Aber all ihre Erfolge und all ihr Können spielten keine Rolle, als der britische Sportverband UK Sport im Jahr 2016 beschloss, seine Fördergelder für die Olympischen Spiele in Tokio nur noch für das Team der Männer zu verwenden. Statt die vorhandenen Mittel zwischen den Frauen und den Männern aufzuteilen, erhielten die weiblichen BMX-Athleten keinen Cent und die männlichen Sportler die gesamten Gelder. Deren Arbeit und Leistungen wurden schlichtweg als vielversprechender bewertet als die der Frauen.
Seit das deutsche Frauen-Team 1989 für seinen Gewinn der Fußball-Europameisterschaft vom DFB kein Geld, sondern stattdessen ein Kaffeeservice bekam, hat sich bei der Bezahlung von Weltklasse-Sportlerinnen zwar einiges getan, aber die offene Geringschätzung weiblicher Athleten zeigt sich nach wie vor vor allem daran, wer der Förderung für würdig erachtet wird und wer eben nicht.
Doch Bethany war nicht bereit, ihren Traum von Olympia aufzugeben. Mit der Hilfe ihrer Eltern schaffte sie es irgendwie, ihr Training aufrechtzuerhalten, während sie gleichzeitig in Teilzeit als Erzieherin in einer Kinderbetreuung arbeitete. So konnte sie sich zwar finanziell über Wasser halten, aber um nach Tokio fahren zu können, reichte es bei Weitem nicht.
Im Frühjahr 2019 beschloss sie, öffentlich um Unterstützung zu bitten, und startete ein Crowdfunding, um die Reise nach Tokio bezahlen zu können. Sie hatte errechnet, dass sie insgesamt um die 50.000 Britische Pfund (knapp 59.000 Euro) brauchen würde. Während sie trainierte, arbeitete und auf die Hilfsbereitschaft ihrer Fans hoffte, musste Bethany auch noch von mehreren Verletzungen genesen. Ihr Handgelenk war im Laufe der Jahre dreimal gebrochen und ein Bruch des Wadenbeins musste gerichtet werden, indem man Metallplatten in ihr Bein implantierte.
Doch sie hielt durch. Menschen auf der ganzen Welt spendeten Geld, damit sie ihren Traum von Olympia wahr machen konnte, und es kam tatsächlich genug zusammen. 2021 war Bethany auf einem BMX-Rad in Tokio und zeigte der ganzen Welt, was ihre Arbeit als Athletin wert ist.
Sie schlug die zweifache Goldmedaillen-Gewinnerin Mariana Pajon – ihr großes Vorbild, dem sie immer nachgeeifert hatte – und belegte mit einem wahrlich haarscharfen Vorsprung von nur 0,09 Sekunden den ersten Platz. Die Goldmedaille gehörte ihr.
Bethany und der Silbermedaillen-Gewinner Kye Whyte sind die Ersten, die für das britische BMX-Team jemals Siegerplätze in Olympia erringen konnten. Kye sagte den Sportreportern in seinem Interview: „Ich freue mich für sie sogar noch mehr als für mich.“
Bethany hat ihren Traum verwirklicht und sich mit der Unterstützung ihrer Fans und einer schier übermenschlichen Anstrengung auf den Platz gekämpft, der ihr zustand: an die Startlinie für das Rennen ihres Lebens. Hoffentlich gibt dies den Verantwortlichen etwas zum Nachdenken, wenn sie in Zukunft entscheiden, welche Sportler eine Investition von Fördergeldern wert sind.
Quelle: boredpanda
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