In der Satire „Der Blaumilchkanal“ flieht ein Geisteskranker aus der Irrenanstalt und beginnt, mitten in der Stadt mit einem Presslufthammer die Hauptstraße aufzureißen. Niemand stoppt ihn, weil jeder denkt, dass die blödsinnige Aktion sicherlich von irgendeiner Behörde angeordnet wurde. Als der Mann das Meer erreicht, füllt sich die Grube mit Wasser und alle Oberen der Stadt bejubeln sich für die neue Attraktion.
Was Ephraim Kishon mit dieser Geschichte bereits Ende der 1960er Jahre auf den Punkt bringt: Der krude Wahnsinn der Behörden ist derart allgegenwärtig, dass einen kaum noch etwas verwundert. Leider hat sich daran auch mehr als 50 Jahre später nichts geändert, wie die folgenden Beispiele zeigen.
1.) Größenverhältnisse
Im Bremer Landesparlament wurden die Toiletten renoviert. Doch mit der Zeit haben sich um die Urinale auf dem Männerklo hässliche, stinkende Flecken gebildet. Kurzerhand gaben die Abgeordneten ein Gutachten in Auftrag, um das Mysterium zu klären. Das Gutachten kommt zu dem Schluss: „Die Länge des Gliedes und die Wurfweite bei der Blasenentleerung werden oft überschätzt. Dadurch wird der Abstand zu groß gewählt. Am Ende gelangen doch Reste und Tropfen auf den unteren Rand des Urinalbeckens.“ Wie viel diese Erkenntnis wohl gekostet hat?
2.) Schlappe Würmer
Ein Fußballplatz, der beim geringsten Regen in Pfützen ertrinkt, taugt nichts. Das dachte sich die Stadt Bergen auf Rügen und kam auf eine ganz eigenwillige Idee: Sie ließ 200.000 Spezial-Regenwürmer aus den Niederlanden einfliegen, die das Erdreich durchlässiger machen sollten. Das taten die Tiere aber nicht. Also wurde eine Drainage um den Platz gelegt. Die wurde von den vielen Würmern jedoch verstopft. Letztendlich mussten sämtliche Regenwürmer aus der Erde gelockt und von Hand aufgelesen werden.
3.) Seitenwechsel
Seit dem Jahr 1908 fährt in der Schweriner Innenstadt die Straßenbahn auf der linken Straßenseite. Der Bund der Steuerzahler mahnt an: 137.000 Euro hätten eingespart werden können, wenn daran auch jemand bei der Planung des Brückenneubaus gedacht hätte! Hier lagen die Schienen nämlich rechts. Die Stadt entschied sich deshalb, die 110 Jahre alte Gleisführung ebenfalls nach rechts zu versetzen. Die Kosten dafür werden auf etwa 1 Million Euro geschätzt.
4.) Exakt geschätzt
Ein Musterbeispiel deutscher Bürokratie ist der Fall einer Salatwaage in einer Kantine. Da das Eichamt die jährliche Prüfung noch nicht vorgenommen hatte, durfte diese Waage nicht mehr benutzt werden. Das Gewicht des Salattellers musste somit von den Kassierern geschätzt werden. Wohlgemerkt: Die Waage war nicht kaputt!
5.) Hübsch dunkel
Hannover hat den Ruf, etwas langweilig zu sein. Hiergegen wollte die Stadtverwaltung etwas unternehmen und installierte für 370.000 Euro einen Prunkleuchter im Stadtzentrum. Die hohen Kosten werden mit einigen Extras gerechtfertigt: So werden etwa Tauben per Ultraschall ferngehalten und es gibt eine integrierte Heizung gegen Eiszapfenbildung – was weitere monatliche Stromkosten von 1.000 Euro nach sich zieht. Nur eines macht der luxuriöse Lampenschirm leider nicht: die Straße beleuchten. Denn dafür sind die LED-Lämpchen zu schwach.
6.) Vorsicht, Baustelle
Was machen Heimwerker immer als Erstes? Ein Baustellenschild aufstellen! Zumindest, wenn es nach dem Bauamt Göttingen geht. Das forderte Ende der 1990er Jahre von einem Rentner, der sein Eigenheim mit einem Treppenlift ausgestattet hatte, ein Bußgeld für die fehlende Beschilderung und verdonnerte ihn zu einer kostenpflichtigen Schulung zum Fahrstuhlführer.
7.) Schöne Aussicht
Die Liste der Baudenkmäler von Pulheim ist lang. Doch keines gleicht dieser Aussichtsplattform von sage und schreibe 78 cm Höhe. Von dort aus soll man angeblich noch schöner ins Tal schauen können. Kosten der Anlage: schlappe 387.000 Euro.
8.) Alpiner Norden
Mit 179 m sind die Helpter Berge der höchste Punkt in Mecklenburg-Vorpommern. Anzahl der im Land existierenden Seilbahnen: 0. Dennoch besitzt das Bundesland ein eigenes Seilbahngesetz. Eine EU-Richtlinie hatte dieses Gesetz notwendig gemacht, sonst hätte eine Strafe von bis zu 791.000 Euro gedroht – täglich!
9.) Apotheker mit Bohrmaschine
Mindestens genauso absurd ist die Regelung, dass in Apotheken stets eine Bohrmaschine vorhanden sein muss. Auch eine Leiter gehört zur Pflichtausstattung, wobei der Apotheker seine Angestellten einmal jährlich im Umgang mit dieser Leiter schulen muss. Dafür gibt es eine 38-seitige Anleitung.
10.) Leere Ortsumgehung
Das Städtchen Bremervörde könnte so beschaulich sein, wäre da nicht der unablässige Strom von LKW, der durch die Ortschaft donnert. Da muss eine Umgehung her, dachte man sich und investierte satte 18 Millionen Euro in eine schöne neue Straße. Dumm nur, dass die Umgehungsstraße laut deutscher Richtlinie nicht ausgeschildert werden darf. So brettert der Verkehr unvermindert weiter durch den staatlich anerkannten Erholungsort.
11.) Saarländischer Kaviar
400 Kilometer trennen das Saarland vom Meer. Nichtsdestotrotz wurde hier mit Steuergeldern eine Meeresfischzucht-Anlage gebaut. 200 Tonnen Stör, Wolfsbarsch und Dorade züchtete der stadteigene Betrieb von Völklingen. Davon konnten allerdings bloß 20 Tonnen verkauft werden. Die Schulden des ambitionierten Projekts beliefen sich bereits zu diesem Zeitpunkt auf 20 Millionen Euro. Dann raffte ein Virus auch noch einen Großteil der Störe hinweg. Als ein privater Investor das Projekt wenig später für einen Appel und ein Ei übernahm, war man sichtlich erleichtert.
12.) Dauerrot in Dresden
Es war die wohl berühmteste Lichtsignalanlage Deutschlands: die Ampel am Güntzplatz in Dresden. 29 Jahre lang stand sie unermüdlich auf Rot. Nie wurde sie gelb, nie grün. Da man an der Stelle nur rechts abbiegen durfte, hätte ein Stoppschild gereicht; die Straßenverkehrsordnung schrieb an dieser Stelle aber eine Ampel vor. Die dauerrote Ampel nebst „Grünpfeil“ ersetzte das Stoppschild. Das Beste: In all den Jahren wurden die gelben und grünen Lampen der Ampel weiterhin vorschriftsmäßig gewartet und ausgetauscht. – Im September 2016 fand das Schauspiel ein Ende. Die Straße ist nun eine Sackgasse.
Wo Menschen Entscheidungen fällen, werden Fehler gemacht. Wenn dann aber noch Leichtfertigkeit oder Paragrafenreiterei hinzukommen, wird die Wirklichkeit selbst zur Satire. Es bleibt zu hoffen, dass diejenigen, die mit den unzähligen Spielarten von Behördenblödsinn konfrontiert sind, dabei nicht selbst den Verstand verlieren.
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